Liebe Angehörige der FAU, liebe Studis, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beschäftigen uns
derzeit sehr stark mit der Frage, wie sieht der Exit aus dem Lockdown aus? Keiner weiß so recht,
welche Maßnahme wie greift und welche Effekte daraus entstehen. Jemand, der sich mit der
Modellierung des möglichen Exits auseinandersetzt, ist heute mein Gesprächspartner. Ich werde gleich
mit Herrn Prof. Reinhard Germann sprechen. Er leitet an unserem Department Informatik den
Lehrstuhl für Rechnernetze und Kommunikationssysteme und hat in den letzten Wochen ein Computermodell
entwickelt, mit dem sich verschiedene Szenarien simulieren lassen und bewerten lassen. Lieber
Reinhard, ich begrüße dich sehr herzlich. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Gespräch mit uns nimmst.
Vielen Dank, dass ich die Gelegenheit habe, hier unsere Arbeiten vorzustellen. Es freut mich sehr.
Prima. Du hast ein Rechnermodell entwickelt, mit dem man verschiedene Exitszenarien durchspielen
kann und gewisse Prognosen erstellen kann, wie denn der Exit sich gestaltet. Wie funktioniert
das Modell eigentlich, das du entwickelt hast? Okay, also wir haben zwei Modelle entwickelt.
Zum einen haben wir ein epidemiologisches Standardmodell genommen, bei dem gezählt wird,
wie viele Menschen sich in verschiedenen Gesundheitszuständen befinden. Also zum
Beispiel gesund, ohne bisherige Infektionen, angesteckt, aber noch nicht infektiös, infektiös
mit und ohne Symptomen oder gesundet mit hoffentlicher Immunität. Dies haben wir nun erweitert, um die
Besonderheiten von Covid-19 und auch die Auswirkung von kombinierten Maßnahmen zur Eindämmung sowie
auch zur kontrollierten Rücknahme zu analysieren. Die Besonderheit dieses Modells besteht erstens
in der möglichen Kombination von Maßnahmen und auch in der Untersuchung der Auswirkung von
Antikörpertests. Das andere Modell ist ein agentenbasiertes Simulationsmodell, bei dem wir
einzelne Individuen in ihren Gesundheitszuständen abbilden, so ähnlich wie in dem anderen Modell.
Und die Agenten wechseln auch zwischen verschiedenen Umgebungen, wie zum Beispiel Familie, Arbeit oder
Freizeit. Die Anzahl der Agenten kann gegenwärtig eine Kleinstadt repräsentieren und so können
Auswirkungen auch auf regionaler Ebene abgeschätzt werden. Das andere Modell ist eine Lage, generelle
Tendenzen für Deutschland zu untersuchen. Hier können wir genauere Untersuchungen für Regionen
durchführen. Wir sind ja gerade dabei in der Politik eine Strategie für die kontrollierte
Rücknahme von Einschränkungen zu entwickeln. Und mit den Modellen, die du beschrieben hast,
lassen sich vermutlich unterschiedliche Strategien auch bewerten. Zu welcher Prognose kommst du denn
mit deinem Modell? Also die Maßnahmen, die wir in das Modell eingebaut haben, sind sehr ähnlich
zu dem, was die Politik jetzt eigentlich auch entschieden hat. Also zunächst einmal kann ich
sagen, welche Maßnahmen es sind. Also wir können einmal die Quarantänisierung von Erkrankten
abbilden. Dann können wir den Lockdown als solchen mit seinen Kontaktreduktionen abbilden,
aber dann auch kontrollierte Maßnahmen nach dem Lockdown, also einmal fortgesetzte Hygienemaßnahmen.
Dann haben wir eine Möglichkeit vorgesehen, dass wenn kritische Größe im Gesundheitssystem
wieder überschritten werden, dass dann adaptive weitere Lockdowns durchgeführt werden könnten.
Und schließlich haben wir uns auch noch mit Antikörpertests beschäftigt. Antikörpertests
testen ja, ob Menschen Antikörper gegen SARS-CoV-2 besitzen. Und wenn sie diese haben,
kann man davon ausgehen, dass sie eine Immunität besitzen, zumindest für eine gewisse Zeit,
das ist auf jeden Fall die gegenwärtige Vermutung. Und wenn sie dann einen solchen Test haben,
können sie gegebenenfalls von weiteren Maßnahmen ausgenommen werden. So solche Effekte haben wir
nun untersucht und zusammengesetzt. Und jetzt kann man da verschiedene Szenarien rechnen. Also
wir können es einrechnen, was passiert, wenn nach dem Lockdown, den wir jetzt durchgeführt haben,
wenn dann man sofort wieder zur Normalität zurückgehen würde. Naja, und da ergibt sich schon, dass
vermutlich eine zweite Welle kommen wird, die das Gesundheitssystem überfordern würde. Also die
besondere kritische Größe ist ja die Belegung der Betten in Intensivstationen. Wenn da die
Kapazitäten überschritten werden, drohen unkontrollierte Zustände. Das muss ja auf
jeden Fall vermieden werden. So, dann ist eben der nächste Schritt, dass wir solche fortgesetzten
Hygienemaßnahmen einbauen. Damit kann die Situation zwar verbessert werden, aber noch
nicht völlig vermieden werden, dass kritische Zustände erreicht werden. Und dann schließlich,
wenn wir dann noch solche adaptiven Lockdowns zulassen, dann sieht es so aus, als ob bis im
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:13:32 Min
Aufnahmedatum
2020-05-18
Hochgeladen am
2020-05-18 13:53:24
Sprache
de-DE
Kaum ein anderes Thema bestimmt die aktuelle öffentliche Debatte so, wie die Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen. Man spekuliert über deren Wirkungen, verlässliche Prognosen gibt es kaum. Prof. Dr. Reinhard German, Leiter des Informatiklehrstuhls für Rechnernetze und Kommunikationssysteme und sein Team haben ein Computermodell entwickelt, mit dessen Hilfe solche Exit-Szenarien erstellt werden können.
- Wie genau funktioniert so ein Prognosemodell? (1:24)
- Wie müsste der schnellste Weg zurück zur Normalität aussehen? (3:00)
- Gibt es Hoffnung auf ein baldiges Corona-Ende? (6:20)
- Wie hält das Modell Schritt mit den aktuellen Entwicklungen? (8:25)
- Ist menschliches Verhalten in Modellen vorhersagbar? (10:05)
- Ein Lehrstuhl mit Schwerpunkt Mobilität und Energiesysteme. Wie kam es zum Corona-Modell? (11:10)
Unter https://www.fau.info/corona informiert die FAU über die aktuell wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus (SARS-CoV-2) und seine Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb.